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Inhalt:

Amoris Laetitia und Homosexualität

Infobox

Keywords:

Gleichgeschlechtlich Liebe schwul lesbisch

Queer Transgender Positionierungen,

homosexuell

Quelle:

Amoris Laetitia, Papst Franziskus, 2016

– Florian Baumgartner, Diözesaner

Arbeitskreis für Homosexuellenpastoral

eingereicht von/am:  Florian Baumgartner / 2017

 

Textstellen – direkt zum Thema Homosexualität

 

Wie erwartet keine großartige Neuerung in der bisherigen Lehrmeinung.

Zudem halt auch der eindeutige Blickwinkel – aus den Familien heraus.

 

250. Die Kirche passt ihre Haltung Jesus, dem Herrn, an, der sich in grenzenloser Liebe für jeden Menschen, ohne Ausnahme, geopfert hat.[275] Mit den Synodenvätern habe ich die Situation von Familien bedacht, welche die Erfahrung machen, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben – eine Erfahrung, die nicht leicht ist, sowohl für die Eltern, als auch für die Kinder. Darum möchten wir vor allem bekräftigen, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll und sorgsam zu vermeiden ist, ihn » in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen «[276] oder ihm gar mit Aggression und Gewalt zu begegnen. In Bezug auf die Familien kommt es hingegen darauf an, eine respektvolle Begleitung zu gewährleisten, damit diejenigen, welche die homosexuelle Tendenz zeigen, die notwendigen Hilfen bekommen können, um den Willen Gottes in ihrem Leben zu begreifen und ganz zu erfüllen.[277]

 

251. Im Laufe der Debatte über die Würde und die Mission der Familie haben die Synodenväter angemerkt: » Was die Pläne betrifft, die Verbindungen zwischen homosexuellen Personen der Ehe gleichzustellen, gibt es keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. « Es ist unannehmbar, » dass auf die Ortskirchen in dieser Frage Druck ausgeübt wird und dass die internationalen

Organisationen Finanzhilfen für arme Länder von einer Einführung der „Ehe“ unter Personen des gleichen Geschlechts in ihrer Gesetzgebung abhängig machen «.[278]

 

 

Anbei findet ihr einige Stellen und Passagen – die auf die Ehe angewendet sind – sich aber auch auf jegliche Art von partnerschaftlichen Beziehung beziehen lassen auch, wenn dies von diesem Schreiben – zumindest auf Homosexuelle – eindeutig abgelehnt wird…

Es heißt also: weiter warten, dass auch die Liebe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts gottgewollt und- vor allem kirchengenehm ist ;-)

 

 

Textstellen – über „irreguläre“ Situationen – hier können „wir“ uns mitgemeint fühlen ;-) 

 

Rot – meines Erachtens interessante Stellen

Grau – Stellen, die für unser Thema interessant sind

 

 

Die Unterscheidung der sogenannten „irregulären“ Situationen [325]

 

296Die Synode hat verschiedene Situationen der Schwäche oder der Unvollkommenheit angesprochen. Diesbezüglich möchte ich hier an etwas erinnern, das ich der ganzen Kirche in aller Klarheit vor Augen stellen wollte, damit wir den Weg nicht verfehlen: » Zwei Arten von

Logik […] durchziehen die gesamte Geschichte der Kirche: ausgrenzen und wiedereingliedern […] Der Weg der Kirche ist vom Jerusalemer Konzil an immer der Weg Jesu: der Weg der Barmherzigkeit und der Eingliederung […] Der Weg der Kirche ist der, niemanden auf ewig zu verurteilen, die Barmherzigkeit Gottes über alle Menschen auszugießen, die sie mit ehrlichem Herzen erbitten […] Denn die wirkliche Liebe ist immer unverdient, bedingungslos und gegenleistungsfrei. «[326] » Daher sind […] Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen. Es ist erforderlich, auf die Art und Weise zu achten, in der die Menschen leben und aufgrund ihres Zustands leiden. «[327]

 

297. Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer » unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien « Barmherzigkeit empfindet. Niemand darf auf ewig verurteilt werden, denn das ist nicht die Logik des Evangeliums! Ich beziehe mich nicht nur auf die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, sondern auf alle, in welcher Situation auch immer sie sich befinden. Selbstverständlich kann jemand, wenn er eine objektive Sünde zur Schau stellt, als sei sie Teil des christlichen Ideals, oder wenn er etwas durchsetzen will, was sich von der Lehre der Kirche unterscheidet, nicht den Anspruch erheben, Katechese zu halten oder zu predigen, und in diesem Sinn gibt es etwas, das ihn von der Gemeinschaft trennt (vgl. Mt 18,17). Er muss erneut der Verkündigung des Evangeliums und der Einladung zur Umkehr Gehör schenken. Doch auch für ihn kann es eine Weise der Teilnahme am Leben der Gemeinde geben, sei es in sozialen Aufgaben, in Gebetstreffen oder in der Weise, die seine eigene Initiative gemeinsam mit dem Unterscheidungsvermögen des Pfarrers nahelegt. Hinsichtlich der Art, mit den verschiedenen sogenannten „irregulären“ Situationen umzugehen, haben die Synodenväter einen allgemeinen Konsens erreicht, den ich unterstütze: » Einer pastoralen Zugehensweise entsprechend ist es Aufgabe der Kirche, jenen, die nur zivil verheiratet oder geschieden und wieder verheiratet sind oder einfach so zusammenleben, die göttliche Pädagogik der Gnade in ihrem Leben offen zu legen und ihnen zu helfen, für sich die Fülle des göttlichen Planes zu erreichen «,[328] was mit der Kraft des Heiligen Geistes immer möglich ist.

 

299. Ich nehme die Bedenken vieler Synodenväter auf, die darauf hinweisen wollten, dass » Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, […] auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden [müssen], wobei zu vermeiden ist, jedwelchen Anstoß zu erregen. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi, der die Kirche ist, gehören, sondern dies als freudige und fruchtbare Erfahrung erleben können. Sie sind Getaufte, sie sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist gießt Gaben und Charismen zum Wohl aller auf sie aus. Ihre Teilnahme kann in verschiedenen kirchlichen Diensten zum Ausdruck kommen: Es ist daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen derzeit praktizierten Formen des Ausschlusses im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können. Sie sollen sich nicht nur als nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen, indem sie diese wie eine Mutter empfinden, die sie immer aufnimmt, sich liebevoll um sie kümmert und sie auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums ermutigt. Diese Integration ist auch notwendig für die Sorge und die christliche Erziehung ihrer Kinder, die als das Wichtigste anzusehen sind. «[334]

 

300. Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen – wie jene, die wir vorhin erwähnten – berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte. Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle. Und da » der Grad der Verantwortung […] nicht in allen Fällen gleich [ist] «[335], müsste diese Unterscheidung anerkennen, dass die Konsequenzen oder Wirkungen einer Norm nicht notwendig immer dieselben sein müssen.[336] Die Priester haben die Aufgabe, » die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre der Kirche und den Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten. In diesem Prozess wird es hilfreich sein, durch Momente des Nachdenkens und der Reue eine Erforschung des Gewissens vorzunehmen. Die wiederverheirateten Geschiedenen sollten sich fragen, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten haben, seit ihre eheliche Verbindung in die Krise geriet; ob es Versöhnungsversuche gegeben hat; wie die Lage des verlassenen Partners ist; welche Folgen die neue Beziehung auf den Rest der Familie und die Gemeinschaft der Gläubigen hat; welches Beispiel sie den jungen Menschen gibt, die sich auf die Ehe vorbereiten. Ein ernsthaftes Nachdenken kann das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verwehrt wird. «[337] Es handelt sich um einen Weg der Begleitung und der Unterscheidung, der » diese Gläubigen darauf aus[richtet], sich ihrer Situation vor Gott bewusst zu werden. Das Gespräch mit dem Priester im Forum internum trägt zur Bildung einer rechten Beurteilung dessen bei, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche behindert, und kann helfen, Wege zu finden, diese zu begünstigen und wachsen zu lassen. Da es im Gesetz selbst keine Gradualität gibt (vgl. Familiaris consortio, 34), wird diese Unterscheidung niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Liebe des Evangeliums, die die Kirche vorlegt, absehen können. Damit dies geschieht, müssen bei der aufrichtigen Suche nach dem Willen Gottes und in dem Verlangen, diesem auf vollkommenere Weise zu entsprechen, die notwendigen Voraussetzungen der Demut, der Diskretion, der Liebe zur Kirche und ihrer Lehre verbürgt sein. «[338] Diese Haltungen sind grundlegend, um die schwerwiegende Gefahr falscher Auskunft zu vermeiden wie die

Vorstellung, dass jeder Priester schnell „Ausnahmen“ gewähren kann oder dass es Personen gibt, die gegen Gefälligkeiten sakramentale Privilegien erhalten können. Wenn ein verantwortungsbewusster und besonnener Mensch, der nicht beabsichtigt, seine Wünsche über das Allgemeinwohl der Kirche zu stellen, auf einen Hirten trifft, der den Ernst der Angelegenheit, die er in Händen hat, zu erkennen weiß, wird das Risiko vermieden, dass eine bestimmte Unterscheidung daran denken lässt, die Kirche vertrete eine Doppelmoral.

 

 

Die mildernden Umstände in der pastoralen Unterscheidung

 

301. Um in rechter Weise zu verstehen, warum in einigen sogenannten „irregulären“

Situationen eine besondere Unterscheidung möglich und notwendig ist, gibt es einen Punkt, der immer berücksichtigt werden muss, damit niemals der Gedanke aufkommen kann, man beabsichtige, die Anforderungen des Evangeliums zu schmälern. Die Kirche ist im Besitz einer soliden Reflexion über die mildernden Bedingungen und Umstände. Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in irgendeiner sogenannten „irregulären“ Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben. Die Einschränkungen haben nicht nur mit einer eventuellen Unkenntnis der Norm zu tun. Ein Mensch kann, obwohl er die Norm genau kennt, große Schwierigkeiten haben » im Verstehen der Werte, um die es in der sittlichen Norm geht «,[339] oder er kann sich in einer konkreten Lage befinden, die ihm nicht erlaubt, anders zu handeln und andere Entscheidungen zu treffen, ohne eine neue Schuld auf sich zu laden. Wie die Synodenväter richtig zum Ausdruck brachten, » kann [es] Faktoren geben, die die Entscheidungsfähigkeit begrenzen «.[340] Schon der heilige Thomas von Aquin räumte ein, dass jemand die Gnade und die Liebe besitzen kann, ohne jedoch imstande zu sein, irgendeine der Tugenden gut auszuüben,[341] so dass er, selbst wenn er alle ihm eingeflößten moralischen Tugenden besitzt, das Vorhandensein irgendeiner von ihnen nicht deutlich offenbart, weil die praktische Ausübung dieser Tugend erschwert ist: » Es wird gesagt, dass einige Heilige keine Tugenden besitzen, insofern sie Schwierigkeiten empfinden in deren Ausübung, obwohl sie die Gewohnheiten aller Tugenden haben. «[342]

 

303. Aufgrund der Erkenntnis, welches Gewicht die konkreten Bedingtheiten haben, können wir ergänzend sagen, dass das Gewissen der Menschen besser in den Umgang der Kirche mit manchen Situationen einbezogen werden muss, die objektiv unsere Auffassung der Ehe nicht verwirklichen. Selbstverständlich ist es notwendig, zur Reifung eines aufgeklärten, gebildeten und von der verantwortlichen und ernsten Unterscheidung des Hirten begleiteten Gewissens zu ermutigen und zu einem immer größeren Vertrauen auf die Gnade anzuregen. Doch dieses Gewissen kann nicht nur erkennen, dass eine Situation objektiv nicht den generellen Anforderungen des Evangeliums entspricht. Es kann auch aufrichtig und ehrlich das erkennen, was vorerst die großherzige Antwort ist, die man Gott geben kann, und mit einer gewissen moralischen Sicherheit entdecken, dass dies die Hingabe ist, die Gott selbst inmitten der konkreten Vielschichtigkeit der Begrenzungen fordert, auch wenn sie noch nicht völlig dem objektiven Ideal entspricht. Auf jeden Fall sollen wir uns daran erinnern, dass diese Unterscheidung dynamisch ist und immer offen bleiben muss für neue Phasen des Wachstums und für neue Entscheidungen, die erlauben, das Ideal auf vollkommenere Weise zu verwirklichen.

 

 

Die Normen und die Unterscheidung

 

304. Es ist kleinlich, nur bei der Erwägung stehen zu bleiben, ob das Handeln einer Person einem Gesetz oder einer allgemeinen Norm entspricht oder nicht, denn das reicht nicht aus,

um eine völlige Treue gegenüber Gott im konkreten Leben eines Menschen zu erkennen und sicherzustellen. Ich bitte nachdrücklich darum, dass wir uns an etwas erinnern, das der heilige Thomas von Aquin lehrt, und dass wir lernen, es in die pastorale Unterscheidung aufzunehmen: » Obgleich es im Bereich des Allgemeinen eine gewisse Notwendigkeit gibt, unterläuft desto eher ein Fehler, je mehr man in den Bereich des Spezifischen absteigt […] Im Bereich des Handelns […] liegt hinsichtlich des Spezifischen nicht für alle dieselbe praktische Wahrheit oder Richtigkeit vor, sondern nur hinsichtlich des Allgemeinen; und bei denen, für die hinsichtlich des Spezifischen dieselbe Richtigkeit vorliegt, ist sie nicht allen in gleicher Weise bekannt […] Es kommt also umso häufiger zu Fehlern, je mehr man in die spezifischen Einzelheiten absteigt. «[347] Es ist wahr, dass die allgemeinen Normen ein Gut darstellen, das man niemals außer Acht lassen oder vernachlässigen darf, doch in ihren Formulierungen können sie unmöglich alle Sondersituationen umfassen. Zugleich muss gesagt werden, dass genau aus diesem Grund das, was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer Sondersituation ist, nicht in den Rang einer Norm erhoben werden kann. Das gäbe nicht nur Anlass zu einer unerträglichen Kasuistik, sondern würde die Werte, die mit besonderer Sorgfalt bewahrt werden müssen, in Gefahr bringen.[348]

 

305. Daher darf ein Hirte sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in

„irregulären“ Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft. Das ist der Fall der verschlossenen Herzen, die sich sogar hinter der Lehre der Kirche zu verstecken pflegen, » um sich auf den Stuhl des Mose zu setzen und – manchmal von oben herab und mit Oberflächlichkeit – über die schwierigen Fälle und die verletzten Familien zu richten «.[349] Auf derselben Linie äußerte sich die Internationale Theologische Kommission: » Das natürliche Sittengesetz sollte also nicht vorgestellt werden als eine schon bestehende Gesamtheit aus Regeln, die sich a priori dem sittlichen Subjekt auferlegen, sondern es ist eine objektive Inspirationsquelle für sein höchst personales Vorgehen der Entscheidungsfindung. «[350] Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt.[351] Die Unterscheidung muss dazu verhelfen, die möglichen Wege der Antwort auf Gott und des Wachstums inmitten der Begrenzungen zu finden. In dem Glauben, dass alles weiß oder schwarz ist, versperren wir manchmal den Weg der Gnade und des Wachstums und nehmen den Mut für Wege der Heiligung, die Gott verherrlichen. Erinnern wir uns daran, dass »ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen […] Gott wohlgefälliger sein [kann] als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen «.[352] Die konkrete Seelsorge der Amtsträger und der Gemeinden muss diese Wirklichkeit mit einbeziehen.

 

306. Unter allen Umständen muss gegenüber jenen, die Schwierigkeiten haben, das göttliche Gesetz völlig in ihr Leben umzusetzen, die Einladung erklingen, die via caritatis, den Weg der Liebe zu beschreiten. Die Nächstenliebe ist das vorrangige Gesetz der Christen (vgl. Joh 15,12; Gal 5,14). Vergessen wir nicht die Verheißung der Schrift: » Vor allem haltet fest an der Liebe zueinander; denn die Liebe deckt viele Sünden zu « (1 Petr 4,8). » Lösch deine Sünden aus durch rechtes Tun, tilge deine Vergehen, indem du Erbarmen hast mit den Armen « (Dan 4,24). » Wie Wasser loderndes Feuer löscht, so sühnt Mildtätigkeit Sünde « (Sir 3,30). Das ist es auch, was der heilige Augustinus lehrt: » Wie wir in der Gefahr eines Brandes eilen würden, um Löschwasser zu suchen […] so ist es auch, wenn aus unserem Stroh die Flamme der Sünde aufsteigen würde und wir darüber verstört wären: Wird uns dann die Gelegenheit zu einem Werk der Barmherzigkeit gegeben, freuen wir uns über dieses Werk, als sei es eine Quelle, die uns angeboten wird, damit wir den Brand löschen

können. «[353]

 

 

Die Logik der pastoralen Barmherzigkeit

 

307. Um jegliche fehlgeleitete Interpretation zu vermeiden, erinnere ich daran, dass die Kirche in keiner Weise darauf verzichten darf, das vollkommene Ideal der Ehe, den Plan Gottes in seiner ganzen Größe vorzulegen: » Die jungen Getauften sollen ermutigt werden, nicht zu zaudern angesichts des Reichtums, den das Ehesakrament ihrem Vorhaben von Liebe schenkt, gestärkt vom Beistand der Gnade Christi und der Möglichkeit, ganz am Leben der Kirche teilzunehmen. «[354] Lauheit, jegliche Form von Relativismus oder übertriebener Respekt im Augenblick des Vorlegens wären ein Mangel an Treue gegenüber dem Evangelium und auch ein Mangel an Liebe der Kirche zu den jungen Menschen selbst. Außergewöhnliche Situationen zu verstehen bedeutet niemals, das Licht des vollkommeneren Ideals zu verdunkeln, und auch nicht, weniger anzuempfehlen als das, was Jesus dem Menschen anbietet. Wichtiger als eine Seelsorge für die Gescheiterten ist heute das pastorale Bemühen, die Ehen zu festigen und so den Brüchen zuvorzukommen.

 

308. Doch aus unserem Bewusstsein des Gewichtes der mildernden Umstände – psychologischer, historischer und sogar biologischer Art – folgt, dass man » ohne den Wert des vom Evangelium vorgezeichneten Ideals zu mindern, die möglichen Wachstumsstufen der Menschen, die Tag für Tag aufgebaut werden, mit Barmherzigkeit und Geduld begleiten « und so eine Gelegenheit schaffen muss für die » Barmherzigkeit des Herrn, die uns anregt, das mögliche Gute zu tun «.[355] Ich verstehe diejenigen, die eine unerbittlichere Pastoral vorziehen, die keinen Anlass zu irgendeiner Verwirrung gibt. Doch ich glaube ehrlich, dass Jesus Christus eine Kirche möchte, die achtsam ist gegenüber dem Guten, das der Heilige Geist inmitten der Schwachheit und Hinfälligkeit verbreitet: eine Mutter, die klar ihre objektive Lehre zum Ausdruck bringt und zugleich » nicht auf das mögliche Gute [verzichtet], auch wenn [sie] Gefahr läuft, sich mit dem Schlamm der Straße zu beschmutzen «.[356] Die Hirten, die ihren Gläubigen das volle Ideal des Evangeliums und der Lehre der Kirche nahelegen, müssen ihnen auch helfen, die Logik des Mitgefühls mit den Schwachen anzunehmen und Verfolgungen oder allzu harte und ungeduldige Urteile zu vermeiden. Das Evangelium selbst verlangt von uns, weder zu richten, noch zu verurteilen (vgl. Mt 7,1; Lk 6,37). Jesus » hofft, dass wir darauf verzichten, unsere persönlichen oder gemeinschaftlichen Zuflüchte zu suchen, die uns erlauben, gegenüber dem Kern des menschlichen Leids auf Distanz zu bleiben, damit wir dann akzeptieren, mit dem konkreten Leben der anderen ernsthaft in Berührung zu kommen und die Kraft der Zartheit kennen lernen. Wenn wir das tun, wird das Leben für uns wunderbar komplex.«[357]

 

309. Es fügt sich gut, dass sich diese Überlegungen im Zusammenhang des der Barmherzigkeit gewidmeten Jubiläumsjahres entwickeln, denn angesichts der verschiedensten Situationen, welche die Familie in Mitleidenschaft ziehen, hat die Kirche » den Auftrag, die Barmherzigkeit Gottes, das pulsierende Herz des Evangeliums, zu verkünden, das durch sie das Herz und den Verstand jedes Menschen erreichen soll. Die Braut Christi macht sich die Haltung des Sohnes Gottes zu Eigen, der allen entgegengeht und keinen ausschließt«.[358] Sie weiß sehr wohl, dass Jesus sich selbst als Hirten von hundert Schafen darstellt und nicht von neunundneunzig. Er will sie alle. Aufgrund dieses Bewusstseins wird es möglich sein, dass » alle, Glaubende und Fernstehende, […] das Salböl der Barmherzigkeit erfahren [können], als Zeichen des Reiches Gottes, das schon unter uns gegenwärtig ist.«[359]

 

310. Wir dürfen nicht vergessen, dass » Barmherzigkeit nicht nur eine Eigenschaft des Handelns Gottes ist. Sie wird vielmehr auch zum Kriterium, an dem man erkennt, wer wirklich seine Kinder sind. Wir sind also gerufen, Barmherzigkeit zu üben, weil uns selbst bereits Barmherzigkeit erwiesen wurde. «[360] Das ist kein romantischer Vorschlag oder eine schwache Antwort angesichts der Liebe Gottes, der die Menschen immer fördern will. Denn die Barmherzigkeit ist » der Tragebalken, der das Leben der Kirche stützt […] Ihr gesamtes pastorales Handeln sollte umgeben sein von der Zärtlichkeit, mit der sie sich an die Gläubigen wendet; ihre Verkündigung und ihr Zeugnis gegenüber der Welt können nicht ohne Barmherzigkeit geschehen. «[361] Es ist wahr, dass wir uns manchmal » wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer [verhalten]. Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.«.[362]

 

311. Die Lehre der Moraltheologie dürfte nicht aufhören, diese Betrachtungen in sich aufzunehmen, denn obschon es zutrifft, dass auf die unverkürzte Vollständigkeit der Morallehre der Kirche zu achten ist, muss man besondere Achtsamkeit darauf verwenden, die höchsten und zentralsten Werte des Evangeliums hervorzuheben und zu ihnen zu ermutigen,[363] speziell den Primat der Liebe als Antwort auf die ungeschuldete Initiative der Liebe Gottes. Manchmal fällt es uns schwer, der bedingungslosen Liebe in der Seelsorge Raum zu geben.[364] Wir stellen der Barmherzigkeit so viele Bedingungen, dass wir sie gleichsam aushöhlen und sie um ihren konkreten Sinn und ihre reale Bedeutung bringen, und das ist die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen. Es ist zum Beispiel wahr, dass die Barmherzigkeit die Gerechtigkeit und die Wahrheit nicht ausschließt, vor allem aber müssen wir erklären, dass die Barmherzigkeit die Fülle der Gerechtigkeit und die leuchtendste Bekundung der Wahrheit Gottes ist. Darum sollte man immer bedenken, »dass alle theologischen Begriffe unangemessen sind, die letztlich Gottes Allmacht selbst und insbesondere seine Barmherzigkeit infrage stellen «.[365]

 

312. Das verleiht uns einen Rahmen und ein Klima, die uns davon abhalten, im Reden über die heikelsten Themen eine kalte Schreibtisch-Moral zu entfalten, und uns vielmehr in den Zusammenhang einer pastoralen Unterscheidung voll barmherziger Liebe versetzen, die immer geneigt ist zu verstehen, zu verzeihen, zu begleiten, zu hoffen und vor allem einzugliedern. Das ist die Logik, die in der Kirche vorherrschen muss, um » die Erfahrung [zu] machen, das Herz zu öffnen für alle, die an den unterschiedlichsten existenziellen Peripherien leben«.[366] Ich lade die Gläubigen, die in komplexen Situationen leben, ein, vertrauensvoll auf ein Gespräch mit ihren Hirten oder mit anderen Laien zuzugehen, die ihr Leben dem Herrn geschenkt haben. Nicht immer werden sie bei ihnen die Bestätigung ihrer eigenen Vorstellungen und Wünsche finden, doch sicher werden sie ein Licht empfangen, das ihnen erlaubt, ihre Situation besser zu verstehen, und sie werden einen Weg der persönlichen Reifung entdecken. Und ich lade die Hirten ein, liebevoll und gelassen zuzuhören, mit dem aufrichtigen Wunsch, mitten in das Drama der Menschen einzutreten und ihren Gesichtspunkt zu verstehen, um ihnen zu helfen, besser zu leben und ihren eigenen Ort in der Kirche zu erkennen.

 

 

Hier sehe ich unseren Auftrag – diese SeelsorgerInnen zu sein, aber auch unsere SeelsorgerInnen ein Stück zu begleiten, dass sie mehr Licht als Schatten verbreiten, dass sie Leute begleiten und nicht verurteilen…

 

 

Textstellen – allgemeiner Wichtigkeit

 

Ja zur Sexualerziehung

 

280. Das Zweite Vatikanische Konzil sprach von der Notwendigkeit, die Kinder und Jugendlichen » durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung « zu unterweisen, die » den jeweiligen Altersstufen « angepasst ist und die » Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft « verwertet.[301] Wir müssten uns fragen, ob unsere Erziehungseinrichtungen diese Herausforderung angenommen haben. Es ist schwierig, in einer Zeit, in der die Geschlechtlichkeit dazu neigt, banalisiert zu werden und zu verarmen, eine Sexualerziehung zu planen. Sie könnte nur im Rahmen einer Erziehung zur Liebe, zum gegenseitigen Sich-Schenken verstanden werden. Auf diese Weise sieht sich die Sprache der Geschlechtlichkeit nicht einer traurigen Verarmung ausgesetzt, sondern wird bereichert. Der Sexualtrieb kann geschult werden in einem Weg der Selbsterkenntnis und der Entwicklung einer Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, die helfen können, wertvolle Fähigkeiten zur Freude und zur liebevollen Begegnung zu Tage zu fördern.

 

281. Die Sexualerziehung bietet Information, jedoch ohne zu vergessen, dass die Kinder und die Jugendlichen nicht die volle Reife erlangt haben. Die Information muss im geeigneten Moment kommen und in einer Weise, die der Phase ihres Lebens angepasst ist. Es ist nicht dienlich, sie mit Daten zu übersättigen, ohne die Entwicklung eines kritischen Empfindens zu fördern gegenüber einem Überhandnehmen von Vorschlägen, gegenüber der außer Kontrolle geratenen Pornographie und der Überladung mit Stimulierungen, welche die Geschlechtlichkeit verkrüppeln lassen können. Die Jugendlichen müssen bemerken können, dass sie mit Botschaften bombardiert werden, die nicht ihr Wohl und ihre Reifung anstreben. Man muss ihnen helfen, die positiven Einflüsse zu erkennen und zu suchen, während sie sich zugleich von all dem distanzieren, was ihre Liebesfähigkeit entstellt. Ebenso müssen wir akzeptieren, dass sich » die Notwendigkeit einer neuen und angemesseneren Sprache […] vor allem [zeigt], wenn Kinder und Jugendliche in das Thema der Sexualität eingeführt werden sollen «.[302]

 

282. Eine Sexualerziehung, die ein gewisses Schamgefühl hütet, ist ein unermesslicher Wert, auch wenn heute manche meinen, das sei eine Frage anderer Zeiten. Es ist eine natürliche Verteidigung des Menschen, der seine Innerlichkeit schützt und vermeidet, zu einem bloßen Objekt zu werden. Ohne Schamhaftigkeit können wir die Zuneigung und die Sexualität zu Formen von Besessenheit herabwürdigen, die uns nur auf den Geschlechtsakt konzentrieren, auf Krankhaftigkeiten, die unsere Liebesfähigkeit entstellen, und auf verschiede Formen sexueller Gewalt, die uns dazu führen, unmenschlich behandelt zu werden oder andere zu schädigen.

 

283. Häufig konzentriert sich die Sexualerziehung auf die Einladung, sich zu „hüten“, und für einen „sicheren Sex“ zu sorgen. Diese Ausdrücke vermitteln eine negative Haltung gegenüber dem natürlichen Zeugungszweck der Geschlechtlichkeit, als sei ein eventuelles Kind ein Feind, vor dem man sich schützen muss. So wird anstatt einer Annahme die narzisstische Aggressivität gefördert. Es ist unverantwortlich, die Jugendlichen einzuladen, mit ihrem Körper und ihren Begierden zu spielen, als hätten sie die Reife, die Werte, die gegenseitige Verpflichtung und die Ziele, die der Ehe eigen sind. Auf diese Weise ermutigt man sie leichtsinnig, den anderen Menschen als Objekt von Kompensationsversuchen eigener Mängel oder großer Beschränkungen zu gebrauchen. Es ist hingegen wichtig, ihnen einen Weg aufzuzeigen zu verschiedenen Ausdrucksformen der Liebe, zur gegenseitigen Fürsorge, zur respektvollen Zärtlichkeit, zu einer Kommunikation mit reichem Sinngehalt. Denn all das bereitet auf ein ganzheitliches und großherziges Sich-Schenken vor, das nach einer öffentlichen Verpflichtung seinen Ausdruck findet in der körperlichen Hingabe. So wird die geschlechtliche Vereinigung als Zeichen einer allumfassenden Verbindlichkeit erscheinen, die durch den ganzen vorangegangenen Weg bereichert ist.

 

284. Man darf die jungen Menschen nicht täuschen, indem man sie die Ebenen verwechseln lässt: Die sexuelle Anziehung » schafft zwar im Augenblick die Illusion der Vereinigung, aber ohne Liebe bleiben nach dieser „Vereinigung“ Fremde zurück, die genauso weit voneinander entfernt sind wie vorher «.[303] Die Körpersprache verlangt eine geduldige Lehrzeit, die ermöglicht, das eigene Verlangen zu deuten und zu erziehen, um sich wirklich hinzugeben. Wenn man alles auf einmal hingeben will, ist es möglich, dass man gar nichts hingibt. Verständnis zu haben für die Schwachheiten oder Verwirrungen der Heranwachsenden ist etwas anderes, als sie zu ermutigen, die Unreife ihrer Art zu lieben in die Länge zu ziehen. Doch wer spricht heute über diese Dinge? Wer ist fähig, die jungen Menschen ernst zu nehmen? Wer hilft ihnen, sich ernsthaft auf eine große und großherzige Liebe vorzubereiten? Mit der Sexualerziehung wird sehr leichtfertig umgegangen.

 

285. Die Sexualerziehung muss auch die Achtung und die Wertschätzung der Verschiedenheit einbeziehen, die jedem die Möglichkeit zeigt, die Einschließung in die eigenen Grenzen zu überwinden, um sich der Annahme des anderen zu öffnen. Jenseits der verständlichen Schwierigkeiten, die jeder erleben mag, muss man helfen, den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er geschaffen wurde, da » eine Logik der Herrschaft über den eigenen Körper sich in eine manchmal subtile Logik der Herrschaft über die Schöpfung verwandelt

[…] Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder

Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern. «[304] Nur wenn man die Angst vor der Verschiedenheit verliert, kann man sich schließlich aus der Immanenz des eigenen Seins und aus der Selbstverliebtheit befreien. Die Sexualerziehung muss dazu verhelfen, den eigenen Körper so zu akzeptieren, dass man nicht darauf abzielt, » den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil [man] sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht «.[305]

 

286. Ebenso wenig darf man übersehen, dass in der Ausgestaltung der eigenen weiblichen oder männlichen Seinsweise nicht nur biologische oder genetische Faktoren zusammenfließen, sondern vielfältige Elemente, die mit dem Temperament, der Familiengeschichte, der Kultur, den durchlebten Erfahrungen, der empfangenen Bildung, den Einflüssen von Freunden, Angehörigen und verehrten Personen sowie mit anderen konkreten Umständen zu tun haben, welche die Mühe der Anpassung erfordern. Es ist wahr, dass man das, was männlich und weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes trennen kann, das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und wo es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren kann. Doch es ist auch wahr, dass das Männliche und das Weibliche nicht etwas starr Umgrenztes ist. Darum ist es zum Beispiel möglich, dass die männliche Seinsweise des Ehemannes sich flexibel an die Arbeitssituation seiner Frau anpassen kann. Häusliche Aufgaben oder einige Aspekte der Kindererziehung zu übernehmen, machen ihn nicht weniger männlich, noch bedeuten sie ein Scheitern, ein zweideutiges Benehmen oder ein Schande. Man muss den Kindern helfen, diese gesunden Formen des „Austausches“, die der Vaterfigur keinesfalls ihre Würde nehmen, ganz normal zu akzeptieren. Die Starrheit wird zu einer übertriebenen Darstellung des Männlichen oder Weiblichen und erzieht die Kinder und die Jugendlichen nicht zur Wechselseitigkeit, die in den realen Bedingungen der Ehe „inkarniert“ sind. Diese Starrheit kann ihrerseits die Entwicklung der Fähigkeiten eines jeden bis zu dem Punkt hemmen, dass man es schließlich für wenig männlich hält, sich der Kunst oder dem Tanz zu widmen, und für wenig weiblich, irgendeine Führungstätigkeit zu entwickeln. Das hat sich gottlob geändert. Doch mancherorts verengen gewisse unsachgemäße Vorstellungen weiterhin die legitime Freiheit und verstümmeln die echte Entwicklung der konkreten Identität der Kinder oder ihrer Möglichkeiten.

 

 

Spiritualität der ausschließlichen, aber nicht besitzergreifenden Liebe

 

319. In der Ehe lebt man auch den Sinn dessen, nur einem einzigen Menschen ganz zu gehören. Die Eheleute nehmen die Herausforderung an und haben den Herzenswunsch, gemeinsam alt zu werden und ihre Kräfte einzusetzen, und so spiegeln sie die Treue Gottes wider. Dieser feste Entschluss, der einen Lebensstil kennzeichnet, ist eine » dem ehelichen Liebesbund innewohnende Notwendigkeit «,[380] denn » wer sich nicht entscheidet, für immer zu lieben, für den ist es schwierig, auch nur einen Tag wirklich lieben zu können «.[381] Doch das hätte keinen geistlichen Sinn, wenn es sich nur um ein mit Resignation gelebtes Gesetz handelte. Es ist eine Zugehörigkeit des Herzens, dort, wo nur Gott es sieht (vgl. Mt 5,28). Jeden Morgen beim Aufstehen fasst man vor Gott erneut diesen Entschluss zur Treue, was im Laufe des Tages auch immer kommen mag. Und beim Schlafengehen hofft jeder, wieder aufzuwachen, um dieses Abenteuer fortzusetzen im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn. So ist jeder Ehepartner für den anderen Zeichen und Werkzeug der Nähe des Herrn, der uns nicht alleine lässt: » Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt « (Mt 28,20).

 

320. Es gibt einen Punkt, an dem die Liebe des Paares seine größte Befreiung erlangt und zu einem Raum heilsamer Autonomie wird: wenn jeder entdeckt, dass der andere nicht sein Eigentum ist, sondern einen viel bedeutenderen Besitzer hat, nämlich seinen einzigen Herrn. Niemand anderes kann beanspruchen, Besitz zu ergreifen vom innersten und geheimsten persönlichen Bereich des geliebten Menschen, und nur er kann das Zentrum seines Lebens einnehmen. Zugleich bewirkt der Grundsatz eines geistlichen Realismus, dass der Ehepartner nicht mehr den Anspruch erhebt, dass der andere seine Bedürfnisse vollkommen befriedigt. Es ist notwendig, dass der geistliche Weg jedes Einzelnen ihm hilft – wie Dietrich Bonhoeffer es gut ausdrückte – eine gewisse » Enttäuschung «[382] über den anderen zu erfahren, es aufzugeben, von diesem Menschen das zu erwarten, was allein der Liebe Gottes eigen ist. Das erfordert einen inneren Verzicht. Der ausschließliche Raum, den jeder der Ehepartner seinem einsamen Umgang mit Gott vorbehält, erlaubt nicht nur, die Verwundungen des Zusammenlebens zu heilen, sondern ermöglicht auch, in der Liebe Gottes den Sinn des eigenen Lebens zu finden. Wir müssen jeden Tag das Handeln des Heiligen Geistes erflehen, damit diese innere Freiheit möglich ist.

 

 

Spiritualität der Fürsorge, des Trostes und des Ansporns

 

321. » Die christlichen Eheleute sind füreinander, für ihre Kinder und die übrigen Familienangehörigen Mitarbeiter der Gnade und Zeugen des Glaubens. «[383] Gott beruft sie zur Zeugung und zur Fürsorge. Eben deshalb war die Familie » schon immer das nächstgelegene „Krankenhaus“ «.[384] Pflegen wir einander, stützen wir einander, spornen wir uns gegenseitig an, und leben wir all das als Teil unserer familiären Spiritualität. Das Leben als Paar ist eine Teilhabe am fruchtbaren Werk Gottes, und jeder ist für den anderen eine ständige Provokation des Heiligen Geistes. Die Liebe Gottes drückt sich » auch in den persönlichen Worten aus […] mit denen Mann und Frau einander ihre eheliche Liebe konkret kundtun«.[385] So sind die beiden füreinander Widerschein der göttlichen Liebe, die mit dem Wort, dem Blick, der Hilfe, der Liebkosung und der Umarmung tröstet. Darum ist » der

Wunsch, eine Familie zu gründen […] der Entschluss, ein Teil von Gottes Traum zu sein, der

Entschluss, mit ihm zu träumen, der Entschluss, mit ihm aufzubauen, der Entschluss, sich gemeinsam mit ihm in dieses Abenteuer zu stürzen, eine Welt aufzubauen, wo keiner sich allein fühlt «.[386]

 

322. Das ganze Leben der Familie ist ein barmherziges „Weiden und Hüten“. Behutsam malt und schreibt jeder in das Leben des anderen ein: » Unser Empfehlungsschreiben seid ihr; es ist eingeschrieben in unser Herz […] geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes« (2 Kor 3,2-3). Jeder ist ein „Menschenfischer“ (vgl. Lk 5,10), der im

Namen Jesu „die Netze auswirft“ (vgl. Lk 5,5) nach den anderen, oder ein Bauer, der das frische Erdreich seiner Lieben bearbeitet und das Beste aus ihnen herausholt. Die eheliche Fruchtbarkeit bedeutet auch zu fördern, denn » jemanden zu lieben heißt, etwas Unbestimmbares und Unvorhersehbares von ihm zu erwarten; und es bedeutet zugleich, ihm auf irgendeine Weise zu dem Mittel zu verhelfen, um dieser Erwartung entsprechen zu können «.[387] Das ist ein Gottesdienst, denn Gott ist es, der viele gute Dinge in uns aussäte, in der Hoffnung, dass wir sie wachsen lassen.

 

323. Es ist eine tiefe geistliche Erfahrung, jeden geliebten Menschen mit den Augen Gottes zu betrachten und in ihm Christus zu erkennen. Das erfordert eine gegenleistungsfreie Bereitschaft, die erlaubt, seine Würde zu schätzen. Man kann dem anderen gegenüber vollkommen gegenwärtig sein, wenn man sich ihm „einfach so“ voll und ganz widmet und alles andere ringsum vergisst. Der geliebte Mensch verdient die ganze Aufmerksamkeit. Jesus war dafür ein Vorbild, denn wenn jemand auf ihn zukam, um mit ihm zu sprechen, nahm er ihn in den Blick und schaute ihn mit Liebe an (vgl. Mk 10,21). Niemand fühlte sich in seiner Gegenwart außer Acht gelassen, weil seine Worte und seine Gesten ein Ausdruck dieser Frage waren: » Was soll ich dir tun? « (Mk 10,51). Das wird mitten im alltäglichen Leben der Familie gelebt. Dort erinnern wir uns, dass dieser Mensch, der mit uns lebt, all das verdient, denn er besitzt eine unendliche Würde, da er Objekt der unermesslichen Liebe des himmlischen Vaters ist. So keimt die Zärtlichkeit auf, die fähig ist, » im anderen die Freude hervorzurufen, sich geliebt zu fühlen. Sie drückt sich in besonderer Weise darin aus, sich den Grenzen des anderen mit vorzüglicher Achtsamkeit zuzuwenden, besonders dann, wenn diese Begrenzungen offensichtlich hervortreten. «[388]

 

324. Unter dem Antrieb des Heiligen Geistes nimmt die Kernfamilie das Leben nicht nur an, indem sie es im eigenen Schoß zeugt, sondern auch indem sie sich öffnet, aus sich herausgeht, um ihr Gut unter den anderen zu verbreiten, um für sie zu sorgen und ihr Glück zu suchen. Diese Öffnung kommt besonders in der Gastfreundschaft zum Ausdruck,[389] zu der das Wort Gottes in verlockender Weise ermutigt: » Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt « (Hebr 13,2). Wenn die Familie die anderen aufnimmt und zu ihnen hinausgeht, besonders zu den Armen und Verlassenen, dann ist sie » Symbol und Zeugin für die […] Mutterschaft der Kirche, an der sie aktiv teilnimmt«.[390] Die soziale Liebe, ein Abglanz der Dreifaltigkeit, ist in Wirklichkeit das, was den geistlichen Sinngehalt der Familie und ihre Mission außerhalb ihrer selbst zusammenschließt, denn sie lässt das Kerygma mit allen seinen auf die Gemeinschaft bezogenen Anforderungen gegenwärtig werden. Die Familie lebt ihre besondere Spiritualität, indem sie zugleich Hauskirche und lebendige Zelle für die Verwandlung der Welt ist.[391]

 

 

Mir ist klar, nur einige wenige Aspekte herausgegriffen zu haben und auch vieles durch meine Markierungen „bewertet“ zu haben.

 

 

12.04.2017
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