Gruppenstunde ''Zivilcourage''
Zeit | Methode | Inhalte/Stichworte | Material |
5 Min. | Einstieg | Geschichte ''Achim'' vorlesen | Geschichte ''Achim'' |
2 Min. | Besinnung |
Wie hätten wir uns selber verhalten? Wie hätte die Geschichte sich durch unser Eingreifen ändern können? Vielleicht hätte sich der Erzähler der Gruppe Schläger angeschlossen? Vielleicht wären beim Zuhilfeeilen die Schläger auf ihn selber losgegangen? |
|
10 Min. | Skala 0 - 100% |
Skala auf Boden anbringen und folgende Fragen stellen (0% stimmt nicht, 100% stimmt vollkommen): - Hätte ich versucht, alleine gegen die Übermacht anzukämpfen? - Hätte ich es genauso gemacht wie der Erzähler? - Hätte ich versucht wegzuschauen? - Hätte ich als Achim versucht davonzulaufen, sobald die Schläger erschienen sind? - Hätte ich mich der Schlägergruppe angeschlossen, nur um die Gelegenheit zu haben, Achim anonym eins auszuwischen? - Hätte ich als Erzähler sofort die Polizei gerufen? - Hätte ich ihm geholfen, wenn Achim mein bester Freund wäre? - Hätte ich ihm auch geholfen, wenn se ein Fremder gewesen wäre? - Hätte ich versucht, die restlichen Lokalgäste zu bewegen, Achim zu helfen? |
Skala 0 - 100% |
15 Min. | Spiel: Mäusesolidarität |
Der Raum wird mit einem Seil oder Klebeband in zwei gleich große Hälften geteilt. Eine freiwillige TN steht als Katze auf der Trennlinie. Alle anderen gemeinsam in einer Hälfte des Spielfeldes. Im ersten Durchgang müssen nun die Mäuse versuchen, die andere Hälfte des Spielfeldes zu erreichen, ohne von der Katze berührt zu werden. Diese darf sich nur auf der Linie hin und her bewegen. Dieser Teil kann öfter gespielt werden. Dann kommt die zweite Aufgabenstellung: Mittels Los bestimmen die Mäuse nun die „ Schwächste‘‘ unter ihnen. Ziel ist es nun, diese Maus heil über die Trennlinie zu bringen, koste es was es wolle. Die Mäuse sollen dazu Strategien entwickeln. Auch dieser Teil kann öfter gespielt werden. Der Schwierigkeitsgrad des Spieles lässt sich variieren: mehr Katzen, mehr „ schwache‘‘ Mäuse. |
Klebeband oder Seil |
3 Min. | Reflexion |
- Was war der Unterschied zwischen den beiden Spielvarianten für mich? - Welches Spiel hat mir besser gefallen und warum? |
|
25 Min. | Geschichte ''Supermarkt'' |
Eine bettelnde Frau sitzt vor dem Supermarkt. Es ist der 24. Dezember. Alles was sie will, ist das Geld für Schokolade für ihre Kinder. Sie bittet jede Person, die aus dem Supermarkt kommt um eine Spende. Da kann eine Frau aus dem Markt, die auf die Bettlerin sehr aggressiv reagiert. Sie verprügelt die Frau mit ihrer prall gefüllten Einkaufstasche. Weitere Passanten tummeln sich um sie herum, ohne sich einzumischen.
Die Gruppe wird geteilt. Ein Teil studiert die Achim-Geschichte als Theaterstück ein, die andere Gruppe die Geschichte mit der Bettlerin vor dem Supermarkt.
Das Prozedere wird genau erklärt. Jeder soll wissen, was geschehen wird. Für beide Gruppen findet folglich das Forum Theater statt. Wichtig ist, dass bewusst ist, dass es kein richtig und kein falsch gibt. Man soll alles probieren, was man sich denkt. |
|
40 Min. | Forum Theater |
|
|
1 Min. | Entrollen | Gemeinsam die gespielte Rolle wieder loswerden | |
10 Min. | Auflockerungsspiel |
Achim
Freitag. Heute war Party angesagt. Mit einigen Freunden verabredete ich mich im genialsten Lokal der Stadt. Nach der anstrengenden Schulwoche war es eine echte Erleichterung, endlich mal richtig loslassen zu können.
Lara war auch mit dabei. Insgeheim himmelte ich das blonde Mädchen an. Es war nichts Ernstes, aber in ihrer Nähe fühlte ich mich immer ein bisschen mulmig. Wir saßen gerade gemütlich beim Tisch und tranken unseren dritten Wodkaorange als auch sie zu uns stieß. Ungezwungen nahm das schlanke Mädchen auf dem Schoß meines Freundes Platz. Nun, eigentlich war Achim nicht gerade mein Freund. Immerhin war er mit Lara seit einigen Wochen ein Paar und ich konnte ihm wohl nirgends das Wasser reichen.
Der attraktive, kluge und charmante Junge hatte lange dunkle Haare und ein schmales, freundliches Gesicht. Seine Eltern waren damals aus dem Kosovo hierher geflüchtet doch er war bereits bei uns in der Stadt geboren. Neidisch blickte ich in seine Richtung. Der Achtzehnjährige hatte gute Noten, die begehrteste Freundin und war der beste in unserer Schulfußballmannschaft. Ich war ein bisschen eifersüchtig. Immerhin hätte auch ich es verdient, wenigstens irgendwo richtig gut zu sein.
Der Abend war schon etwas weiter fortgeschritten, als Peter mit seinen Kumpanen auftauchte. In keinem Lokal war die Gruppe von glatt rasierten und muskelbepackten Männern gern gesehen. Ständig machten sie Ärger, zerstörten Gläser oder terrorisierten die anderen Gäste. Achim zog geräuschvoll die Luft ein, als er sie ausmachte.
Ich bemerkte sofort, wie er immer wieder nervös in ihre Richtung blickte und unruhig auf seinem Platz herumwetzte. „ Wollen wir wo anders hin gehen?‘‘ Fragte Lara sorgvoll. Der junge Serbe schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, ich werd mir den Abend doch nicht von ein paar Schlägertypen vermiesen lassen."
Ich wunderte mich, dass der so selbstbewusste Junge plötzlich sehr unsicher zu sein schien. Mich berührten Peters Freunde nicht so sehr. Sie beachteten mich ja nicht einmal.
Umso mehr wunderte ich mich, als Peter plötzlich auf unseren Tisch zukam. Direkt vor Achim hielt er an. Abwertend verzog der bullige Schläger sein Gesicht. „Stinkende Dreckstürken!‘‘ lallte er und spuckte Achim ins Gesicht.
Betreten nahm ich wahr, dass mein Freund aufstand, den Speichel von seinem Gesicht wischte und auf den Ausgang des Lokals zusteuerte. Peter wollte sich jedoch offensichtlich prügeln, denn schon schnellte seine Faust vor und traf Achim ins Kreuz. „ Hurensohn, scher dich heim in das Dreckloch aus dem du stammst!‘‘
Jetzt drehte sich der junge Mann um. Wut blitze in seinen Augen auf. Er wollte sich jedoch wieder umwenden, als Lara plötzlich einen erschrockenen Schrei ausstieß. Ich traute meinen Augen kaum, als ich bemerkte, dass der brutale Glatzkopf versuchte sie zu begrabschen.
Sogleich traf den Brutalo Achims kräftiger Fausthieb. Seine Augen sprühten Wut. Zu meiner Verwunderung zeichnete sich jedoch ein Lächeln auf Peters Lippen. Sofort waren seine Freunde neben ihm.
Noch bevor ich überhaupt begriff, was sich vor meinen Augen abspielte lag mein Freund bereits auf dem Boden. Die Zeit schien plötzlich ganz langsam zu vergehen. Deutlich sah ich die schreckensgeweiteten Augen Laras und die Springerstiefel von Peters Kumpanen. Ein Kreis hatte sich um den Schauplatz gebildet. Keiner schien etwas unternehmen zu wollen. Immer noch wie versteinert begriff ich das Ausmaß der Situation.
Sie würden ihn zu Tode prügeln! Jemand musste helfen! Mein Blick suchte den muskulösen Thomas. Er würde doch eingreifen können. Schon konnte ich ihn in der Menge ausmachen. Mit glasigen Augen lehnte er an einer Säule, zu betrunken um nur einen geraden Schritt zu machen.
Ich schluckte. Die Schläger drahten immer noch mit aller Kraft auf die am Boden liegende Gestalt ein. Was sollte ich denn tun? Ich war klein, schwach und alleine. Ich fühlte mich so unfähig. So…nein. Ich fühlte mich wie ein Feigling.
Endlich stand ich vom Sessel auf. Mit steifem Schritt näherte ich mir den tätowierten Schlägern, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich wollte sie anschreien, ich wollte mich auf sie stürzen. Aber nichts, nichts tat ich.
Als sie dann von dem Serben abließen, bewegter er sich nicht mehr. Tränenüberströmt nahm ihn Lara in die Arme.
Jemand hatte Rettung und Polizei verständigt. Die Schläger waren jedoch schon lange verschwunden als diese endlich ankamen. Man lud den jungen Mann auf eine Trage und brachte ihn sofort ins Krankenhaus.
Ich stand noch immer da. Unfähig, mich zu bewegen und unfähig klar zu denken. Ich fühlte mich schlecht. Ich fühlte mich so richtig schuldig. Warum hatte nur niemand geholfen?