Im Interview: Sarah Proske

Komponieren bedeutet für mich …
... etwas Neues zu schaffen und mir bisher unbekannte Gebiete zu betreten. Es bedeutet für mich gleichzeitig eine große Freiheit sowie oft sehr intensive Phasen, in denen ich mich sehr tiefgreifend mit einer Thematik oder einer Idee beschäftige.
So würde ich meinen Kompositionsstil beschreiben …
Ich denke, dass ich im Moment noch keinen festen Kompositionsstil für mich definieren kann. Ich lasse mich für Kompositionen auf ganz unterschiedliche Art inspirieren. Manchmal gibt es bestimmte Rahmenbedingungen, manchmal nicht. Ich würde sagen, dass mein gegenwärtiges Komponieren viel von der Freude am Ausprobieren und Erforschen geprägt ist. Ich habe aber eine gewisse Vorliebe für mehrschichtige/ mehrdeutige Kompositionen, die etwas zu Gehör bringen, das auf vielfältige Weise interpretierbar ist, das überrascht und aufhorchen lässt.
Mit diesen kompositorischen Mitteln habe ich für den Linzer Mariendom komponiert …
Kompositionstechnisch war meine grundlegende Idee der Einsatz der Stimme als Werkzeug kreativen Schaffens, ähnlich wie ein Maler seinen Pinsel verwendet. Wie müsste ein „Klangmaler“ mit seiner Stimme umgehen, um ein imaginiertes Bild mit Klängen abzubilden? Welche Techniken verwendet er? Wie funktioniert die logische abstrakte Übertragung einer visuellen Idee in ein Klangbild, das für den Zuhörer erkennbar ist? Das waren Gedanken, die ich mir vorab gemacht habe und die am Ende die Grundlage für weite Teile des Stückes geworden sind.
Wie sich mein Bild Anton Bruckners durch die Kompositionswerkstatt verändert hat …
Die intensive Beschäftigung mit Anton Bruckner während des Workshops hat sicherlich noch einmal eine ganz andere Perspektive auf den Komponisten aufgetan und Spuren hinterlassen. Durch den Besuch der Wirkungsorte wird so eine Person noch einmal in anderem Maße greifbar.
Diese Erfahrung im Rahmen der Kompositionswerkstatt war für mich prägend …
Mir hat das Konzept einer Werkstatt (explizit kein Wettbewerb) sehr zugesagt. Es war eine tolle Erfahrung, sich mit anderen jungen Komponist/innen auszutauschen, den Ort der Aufführung schon im Voraus zu besuchen und über einen längeren Zeitraum an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten.
Der Linzer Mariendom feiert 2024 seinen 100. Geburtstag. Für mich ist er …
Den Linzer Mariendom habe ich schon vor Beginn der Kompositionswerkstatt einmal besucht und war sofort eingenommen von der dunklen und ruhigen Atmosphäre des Raumes mit den kunstvollen Kirchenfenstern. Sich im Rahmen der Werkstatt noch intensiver mit dem Mariendom zu befassen, hat diese Faszination noch verstärkt, gerade was die besondere Akustik und Klarheit des Raumes angeht. Auch die Möglichkeit von vielen verschiedenen Orten zu musizieren, im Kirchenschiff, aber auch auf unterschiedlichsten Emporen, haben mich beeindruckt.
Die Zeit als Turmeremitin war für mich …
... eine sehr spannende und einzigartige Erfahrung. Auch wenn es im Sommer weit weniger ruhig dort zugeht als man am Anfang annimmt (aufgrund diverser Führungen), war es doch ein besonderer Ort mit einem grandiosen Ausblick. Am meisten genossen habe ich den morgendlichen Kaffee draußen auf dem Balkon vor der ersten Turmführung, ein aufziehendes Gewitter von der sicheren Fensterbank zu beobachten, oder zum Sonnenuntergang draußen zu stehen mit Blick auf die sich verdunkelnde Stadt und dabei den Gedanken freien Lauf zu lassen.
Spiritualität meint für mich …
... etwas Nicht-Greifbares und schwer mit Worten Einzurahmendes.
So hat meine Spiritualität die entstandene Komposition beeinflusst …Dieses Unaussprechliche ist für mich auch eine schöne Parallele zur Musik. Etwas Nicht-Klares, nur Ahnbares, aber nichts, das man festhalten und beschreiben könnte.