Pilgern in Oberösterreich: Unterwegs sein zu sich selbst
Lebenswenden begleiten das Leben von Anfang an. Im Rhythmus von Abschluss und Neubeginn geht es in die nächste Lebensphase. Doch nicht immer es einfach, Altes loszulassen und sich Neuem zu öffnen. Dies ist für manche Menschen ein Motiv, um den Pilgerrucksack zu packen und aufzubrechen – und so den Übergang ganz bewusst zu gestalten.
Pilgern auf dem Jakobsweg © Diözese Linz / Reisinger
Andrea Reisinger aus Vöcklabruck pilgert seit 17 Jahren regelmäßig, seit neun Jahren begleitet sie auch Gruppen. Seit April 2020 ist sie Referentin für Pilgern und Pilgerbegleitung in der Diözese Linz. Gerne erinnert sie sich an ihre erste Pilgererfahrung zurück. Nach einer intensiven Familienzeit wollte Reisinger gemeinsam mit einer Freundin ein paar Tage Auszeit genießen und ging auf der Via Nova. Seither hat sie die Leidenschaft fürs Pilgern nicht mehr losgelassen. „Pilgern ist für mich die nachhaltigste Entspannungs- und Vertrauensübung. Wenn sich die Füße bewegen, kommt auch vieles andere in Bewegung. Auf dem Weg spüre ich: Das Leben bringt Überraschungen mit sich. Ich weiß vielleicht nicht, wie mein Leben weitergeht, ich zweifle vielleicht, ob meine Kraft reichen wird, aber ich schaffe den nächsten Schritt – und immer wieder den nächsten. Das Vertrauen in den eigenen Körper und die eigenen Kräfte wächst. Wenn ich diesen Weg schaffe, schaffe ich auch andere Herausforderungen meines Lebens“, ist Reisinger überzeugt.
Andrea Reisinger, Referentin für Pilgern und Pilgerbegleitung in der Diözese Linz © privat
Pilgern als Grenzerfahrung und Selbstfindung
Dass im Gehen neue Perspektiven entstehen, hat auch Lieselotte Fleischanderl (Alberndorf) für sich entdeckt. Nach einer Verlusterfahrung hat sie in der Bewegung „zu sich selbst gefunden“. „Die Seele kommt zur Ruhe, der Geist kommt in Bewegung, der emotionale Rucksack wird leichter“, beschreibt Fleischanderl ihr Gefühl beim Pilgern. „Beim Gehen kann ich Spiritualität und meinen Drang nach Bewegung vereinen“, erzählt die pensionierte Religionslehrerin, die immer schon gerne gesportelt und die geistige Herausforderung gesucht hat. Angeregt durch eigene „Grenzerfahrungen“ hat Fleischanderl unter eben diesem Motto eine dreitägige, 240 Kilometer lange Radpilgertour entlang der österreichisch-tschechischen Grenze konzipiert. Wie man gestärkt aus Grenzerfahrungen herausgeht, ist unter anderem ein leitender Gedanke dieses Pilgerweges, erklärt Fleischanderl.
Lieselotte Fleischanderl hat einen eigenen Radpilgerweg konzipiert © privat
An die eigenen Grenzen gehen, – „äußerlich und innerlich“ –, das verbindet auch Philipp Endl aus Vöcklabruck mit dem Pilgern. Der 23-Jährige hat im Jänner 2023 als Jüngster den Ausbildungslehrgang für Pilgerbegleiter:innen absolviert. Nun ist er nach Abschluss seines Maschinenbaustudiums zu Fuß auf dem Weg von Vöcklabruck nach Taizé. „Der Weg hat Höhen und Tiefen; fordert jeden Tag auf, das Bekannte hinter sich zu lassen; ist manchmal steinig, oft aber auch ganz eben und übt einen im Vertrauen“, beschreibt Endl seine Erfahrungen. Pilgern heißt für ihn: „Von der gewohnten Geschäftigkeit in die ungewohnte Langsamkeit gelangen und dabei ,auf Spur‘ kommen.“ Auch wenn er allein unterwegs und beim Pilgern „jeden Tag aufs Neue Anfänger“ sei, wisse er sich „tief begleitet“, betont der Pilgerbegleiter.
Derzeit von Vöcklabruck nach Taizé unterwegs: Pilgerbegleiter Philipp Endl © privat
Sowohl fordernde Zeiten als auch „viele schöne und spannende Jahre“ hat etwa auch Pater Ferdinand Karer im Laufe seiner Karriere als Direktor des Gymnasiums Dachsberg (Prambachkirchen) erlebt. Nach 35 Jahren als Lehrer und Erzieher und 22 Jahren als Direktor verabschiedet er sich nun mit Ende des Schuljahres in Pension – und plant bereits für Herbst eine Pilgerreise von Lissabon nach Santiago de Compostela. „Ich möchte diesen Weg aus Dankbarkeit gehen, für all die Jahre, die ich im Schuldienst erleben durfte; für unsere Schüler:innen, die mir viel bedeuten und deren Familien, von denen mache es nicht leicht haben“, sagt Karer. Warum er sich ausgerechnet im Herbst auf den Weg macht? „Ich möchte zu Schulbeginn ganz einfach nicht da sein. Andernfalls würde ich das kaum aushalten“, so Karer. Seine letzte längere Pilgerreise – von Dachsberg nach Rom – liegt etwa fünf Jahre zurück und war für ihn „ein besonderes Gotteserlebnis“: „Den eigenen Rhythmus zu finden im Gehen, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug – für mich entsteht da völlige Freiheit im Denken. Die Freude an der Schöpfung und das Staunen in der Natur, wenn man schöne Wege geht – all das bringt mich weiter im Glauben und stärkt den Glauben“, erläutert Karer. Gleichzeitig sei es spannend gewesen, herauszufinden, wie man es „mit sich selbst gut aushält“. Seine Eindrücke hat er jeweils am Ende einer Etappe niedergeschrieben und später in Form eines Buches („Gehen und staunen – Mein Pilgerweg nach Rom“) veröffentlicht. Auch dieses Mal möchte Karer wieder Tagebuch führen.
Pater Ferdinand Karer, Direktor des Gymnasiums Dachsberg bei seiner Ankunft am Petersplatz in Rom © privat
Pilgern bereichert
Als „die wohl nachhaltigste Form, Urlaub zu machen“, beschreibt Helmut Holzinger das Pilgern. „Pilgern ist einfach, man braucht so wenig mitzunehmen, man reist zu Fuß“, sagt Holzinger. Der Adlwanger wurde kurz vor seinem 50. Geburtstag auf diese Art des Reisens neugierig. „In der Mitte meines Lebens bin ich in eine Sinnkrise verfallen. Alles war abgesichert – Arbeit, Geld, die Kinder waren erwachsen. Ich fragte mich: Was soll noch kommen? Zu meinem Fünfziger pilgerte ich schließlich gemeinsam mit meiner Frau in einer Gruppe von Bad Hall nach Mariazell – und war begeistert. Das Pilgern half mir über diese Sinnkrise hinweg und bereicherte mein Leben ungemein“, erzählt Holzinger. Mittlerweile sei Pilgern ein „großer Teil“ seines Lebens geworden. Seine Pilgererfahrungen möchte Holzinger auch an andere weitergeben. „Man lernt so viel auf einem Pilgerweg. Wenn man bereit ist, sich zu öffnen, wird man reichlich beschenkt“, betont Holzinger.
Helmut Holzinger © privat
Weltpilgertag und „Heiliges Jakobusjahr“
Am 25. Juli ist Weltpilgertag. Die Kirche begeht ihn am Gedenktag des Pilger-Apostels Jakobus des Älteren. Fällt der 25. Juli auf einen Sonntag, ist in der nordwestspanischen Pilgerstadt Santiago de Compostela, dem Ziel des Jakobsweges, ein „Heiliges Jakobusjahr“. Ein Heiliges Jakobusjahr beginnt am 31. Dezember des Vorjahres mit der Öffnung der Heiligen Pforte, durch die Pilger:innen nur in diesem besonderen Jahr die Kathedrale in Santiago de Compostela betreten dürfen. Dieses Ritual ist seit dem 15. Jahrhundert belegt. Die Heilige Pforte wird auch „Pforte der Vergebung“ (Puerta del Perdón) genannt. Im Heiligen Jahr kann den Gläubigen nämlich ein vollkommener Ablass der Sünden gewährt werden; deshalb wird das Heilige Jahr auch „Gnadenjahr“ genannt. Das letzte Heilige Jakobusjahr war 2021. Wegen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen auch für Pilger:innen wurde es von Papst Franziskus bis 2022 verlängert.
Interessierte sind eingeladen, rund um diesen Tag zu einer der zahlreichen Kirchen in Oberösterreich zu pilgern, die dem hl. Jakobus geweiht sind: Asten, Buchkirchen bei Wels, Gaspoltshofen (Filialkirche Unteraffnang), Gmunden (Spitalkirche), Gmunden-Ort (Seeschlosskirche), Großraming, Grünau im Almtal, Höhnhart, Hörsching, Lengau, Neumarkt im Mühlkreis, Oberneukirchen, Perg, Pichl (Filialkirche Unterirrach), Puchkirchen am Trattberg, Ried im Traunkreis (Filialkirche Weigersdorf), Rohrbach, Roitham, Roßbach, Schalchen, Schönau im Mühlkreis, Seewalchen, Vichtenstein (Filialkirche Kasten), Windischgarsten.
Pilgerwege und spirituelle Wanderwege
Es muss ja nicht gleich Santiago de Compostela, Rom oder Assisi sein: Auch Oberösterreich hat für Pilger:innen viel zu bieten. Auf knapp 4.000 Kilometern laden 14 Pilgerwege und 11 spirituelle Wanderwege zum (In-sich-)Gehen ein. Die oberösterreichischen Pilgerwege sind nicht hochalpin und somit auch für Einsteiger:innen geeignet – lediglich auf die Streckenlänge ist zu achten.
Auf Initiative des Netzwerks Pilgerwege & Spirituelle Wege in Oberösterreich, der Werbegemeinschaft Donau Oberösterreich und des Oberösterreich Tourismus wurden die Pilgerwege in Oberösterreich kompakt in einer Broschüre zusammengefasst. Über 20 Wege und Wegvarianten sind darin beschrieben.
Die Broschüre „Pilgern in Oberösterreich“ wird laufend aktualisiert und steht unter www.oberoesterreich.at/pilgern zum Download bereit.
Pilgern auf der Via Nova in Mondsee © Diözese Linz / Reisinger
Demnächst eröffnet wird der Benediktweg Oberösterreich, der auf rund 370 Kilometern von Spital am Pyhrn an die Donau (mit einer Alternativroute über St. Florian) und von dort weiter nach Passau führt. Unter dem Motto „Von Kloster zu Kloster“ verbindet er möglichst viele der bestehenden oö. Klöster und Stifte, die nach der Regel des hl. Benedikt leben, und hebt so deren geistlichen und kulturellen Schatz hervor. Nach einer dreijährigen Bauzeit – Baustart war 2021 – wurde der Benedikt-Pilgerweg Oberösterreich mit Mai 2023 fertiggestellt. Die feierliche Eröffnung und Segnung findet am 25. August 2023 von 9 bis 14 Uhr im Stift Kremsmünster (Feigenhaus) durch Bischof Manfred Scheuer gemeinsam mit Abt Ambros Ebhart OSB statt. Die Eröffnung wird mit einer siebentägigen Pilgerwanderung einer Pilgergruppe am „Benedikt-Pilgerrundweg Traunviertel“ verbunden. Auch Tagespilgernde sind eingeladen, daran teilzunehmen (Anmeldung: benediktbewegt@gmail.com). Infos: www.benedikt-bewegt.at.
Eine gemeinsame Pilgerwoche wird auch auf dem Jerusalemweg angeboten: Von 15. bis 23. September 2023 gehen Pilgerbegeisterte von Lofer bis Linz eine Etappe des längsten Friedenswegs der Welt. Höhepunkt der Pilgerreise ist schließlich die Ankunft in Linz am 23. September 2023 zur feierlichen Aufstellung und Segnung der Jerusalemweg-Friedenstaube vor dem Neuen Rathaus im Zuge eines interreligiösen Festaktes um 15 Uhr – mit Bischof Manfred Scheuer, Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, sowie weiteren Vertreter:innen der Religionsgemeinschaften.
Kosten Pilgerwoche: Tagespauschale EUR 10,- bis 15,- pro Tag (je nach Teilnehmer:innenzahl), Übernachtung EUR 40,- bis 50,-. Details zur Pilgerwoche und Anmeldung – wenn möglich bis 8. Juli 2023: austria@jerusalemway.org. Für den letzten Streckenabschnitt am 23. September 2023 von Wilhering nach Linz besteht keine Begrenzung der Teilnehmer:innenzahl.
Infos: www.jerusalemway.org.
Das Thema Frieden greift auch ein aktuelles Angebot im Rahmen der „Gartenzeit Wolfsegg“ auf: So wurde der bereits seit 2005 bestehende Friedensweg Wolfsegg neu konzipiert. Der acht Kilometer lange Weg aus neun Stationen startet beim Friedenskreuz in der Wolfshütte in Manning und führt zum Friedensfenster in Wolfsegg. In einem Begleitheft finden Pilger:innen Impulse und Anregungen für Gespräche und „GEHdanken“ sowie die GPS-Daten. Jeden zweiten Dienstag führen Pilgerbegleiter:innen bis zur Schanze. Dort befindet sich das Denkmal der Bauernkriege. Mit einem Blick durch das Friedensfenster wird der gemeinsame Weg für den Frieden beendet. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit, die Gartenschau zu besuchen. Ein Shuttlebus bringt die Teilnehmer:innen zurück zum Ausgangspunkt.
Nächste Termine: Dienstag 11., 25. Juli / 8., 22. August / 5., 19. September 2023 je 9 Uhr beim Friedenskreuz. EUR 25,- für Begleitung, Einritt in Gartenschau und Rücktransport. Für Gruppen besteht die Möglichkeit, eigene Termine zu vereinbaren. Anmeldung unter 07674/66550 oder maximilianhaus@diozese-linz.at. Infos: www.maximilianhaus.at.
Eine weitere Pilgergelegenheit bietet der Frauenpilgertag der Katholischen Frauenbewegung am 14. Oktober 2023 ab 9 Uhr. Unter dem Motto „Zeit zu leben. Zeit zu bewegen“ sind Frauen eingeladen, sich an vielen verschiedenen Orten in ganz Österreich auf den Weg zu machen. In Oberösterreich stehen 25 Routen zur Auswahl. Gepilgert wird bei jedem Wetter, egal ob Regen oder Sonne. Treffpunkt für jede Route ist um 8.30 Uhr.
Infos, Routen und Anmeldung bis 4. Oktober 2023 unter www.frauenpilgertag.at/ooe.
Pilgern mit ausgebildeten Pilgerbegleiter:innen
Immer mehr Pilger:innen haben den Wunsch, in einer Gemeinschaft und mit ausgebildeten Pilgerbegleiter:innen unterwegs zu sein. In der Diözese Linz gibt es derzeit 82 Pilgerbegleiter:innen im Netzwerk der Spirituellen Wegbegleiter:innen, 17 befinden sich in Ausbildung. Sie begleiten Einzelpersonen und Gruppen, unterstützen beim Entschleunigen und geben Impulse zur ganzheitlichen Wegerfahrung.
Für jene, die selbst erfahrene Pilger:innen sind und gerne Pilgergruppen begleiten möchten: Der nächste Ausbildungslehrgang für Pilgerbegleiter:innen nach christlich-spirituellen Grundlagen beginnt im Herbst 2024 und dauert bis Herbst 2025.
Jakobsweg-Pilgerpässe in der Diözese Linz erhältlich
Der offizielle Jakobsweg-Pilgerpass „Credencial del Peregrino“, den Jakobspilger:innen mit sich führen, ist im Pilgerzentrum Urbi@Orbi und im Behelfsdienst der Diözese Linz gegen eine freiwillige Spende bzw. zum Selbstkostenpreis von 2 Euro erhältlich. Der Pilgerpass ist auf den persönlichen Namen ausgestellt und nicht übertragbar. In diesem Pass werden Stempel gesammelt, die in Kirchen, Pilgerherbergen oder anderen Stellen bereitstehen. Warum ist dieser Pilgerpass wichtig, wenn man pilgernd auf dem Jakobsweg unterwegs ist? Andrea Reisinger, Referentin für Pilgern und Pilgerbegleitung, erklärt: „Zum einen ist das Pilgerdokument Türöffner für den Zugang zu kirchlichen und öffentlichen Pilgerherbergen in Spanien, Portugal und Frankreich. Nur mit Vorlage des Ausweises ist man dazu berechtigt, einen der Schlafplätze gegen geringe Kosten in Anspruch zu nehmen. Zum anderen ist der Besitz eines Pilgerausweises notwendig, um die zurückgelegte Jakobswegroute nachzuweisen, wenn man am Reiseziel Santiago de Compostela die persönliche Pilgerurkunde in Empfang nehmen möchte.“ Darüber hinaus ist der Pilgerpass für viele, die auf dem Jakobsweg unterwegs waren, ein bleibendes Andenken mit enormem Erinnerungswert.
Übrigens: Pilger:innen, die durch Linz kommen, können sich einen Pilgerstempel im Urbi@Orbi, in der Martinskirche und im Dompfarramt abholen.
Kontakt zum Bestellen des Pilgerpasses:
Urbi@Orbi: M: 0676 87 76 60 00 | E: urbi.orbi@dioezese-linz.at | W: www.urbiorbi.at
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag, 11.00 – 17.00 Uhr (Sommerpause von 24. Juli bis 4. September)
Behelfsdienst: T: +43 732 7610-3813, E: behelfsdienst@dioezese-linz.at | W: www.behelfsdienst.at
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag, 8.30 – 17.00 Uhr | Freitag, 8.30 – 12.30 Uhr
Diözesane Pilgerangebote, Pilgerbegleiter:innen in Oberösterreich und andere Informationen:
www.dioezese-linz.at/pilgerbegleitung