Dietrich Bonhoeffer: Hellsichtiger Glaubenszeuge
Bonhoeffer sei christlicher Märtyrer und standhafter Glaubenszeuge gewesen, erklärte der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller. Er zähle zu den ganz großen Gestalten der Kirchen- und Theologiegeschichte, schreibt der Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation in der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Ausgabe 9. April 2015).
Der aus Breslau stammende Bonhoeffer (1906-1945) zählt zu den wichtigsten Figuren der christlichen Opposition gegen Hitler und war die prägende Gestalt der protestantischen Bekennenden Kirche. 1940 erhielt er Rede- und Schreibverbot. Wegen seiner Verbindungen zum Widerstand wurde er 1943 verhaftet. Am 9. April 1945 erhängte ihn die SS auf persönlichen Befehl Hitlers nach einem Schnellverfahren im KZ Flossenbürg.
Dietrich Bonhoeffer 1939 in London. © Dietrich Bonhoeffer Portal
Mutig und hellsichtig habe der evangelische Pfarrer von Anfang an die Vergötzung von Blut und Rasse abgelehnt und die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Menschen verurteilt, hob Müller hervor. Er habe die Kirche aufgefordert, sich einzumischen. Nur wer für die Juden schreie, der könne auch gregorianisch singen, zitierte der Kardinal den Theologen. "Bonhoeffer wollte die kirchliche Theologie nicht vor den Karren einer nationalistischen Politik oder nationalistischer Ressentiments spannen lassen."
Bonhoeffer habe sehr früh den totalitären Charakter des NS-Regimes erkannt, fügte Müller hinzu: "Wenn der Führer alles bestimmt, was die Ethik ausmacht, was die Ziele der Nation ausmacht, was der Sinn des Lebens ist, woher bezieht er seine letzten Prinzipien? Aus einer selbst gemachten Ideologie, aus der Ideologie des Sozialdarwinismus, des Rassismus und der Rassenideologie. Der reine Machtwille. Wer die Macht hat, hat das Recht."
Bedford-Strohm: Inspiration für Kampf um Menschenwürde
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm, erklärte in Hannover: "Bonhoeffer bleibt eine Inspiration für die, die sich in Situationen von Unterdrückung und Gewalt für die Menschenwürde einsetzen." Der Theologe habe betont, die Kirche sei "nur Kirche, wenn sie für andere da ist". Sie dürfe sich nicht bequem einrichten, sondern müsse auch die kritische Kraft des Evangeliums in der Gesellschaft zur Sprache bringen.
In der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt Bedford-Strohm, Bonhoeffer sei der "weltweit wohl meistgelesene deutsche Theologe des 20. Jahrhunderts". Er habe einen untrennbaren Zusammenhang zwischen persönlicher Frömmigkeit und politischem Engagement gesehen und vorgelebt. Seine Schriften hätten etwa auch den Widerstand gegen das südafrikanische Apartheid-Regime beeinflusst.
Heute müssten Christen sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein militärisches Eingreifen gegen den Terror des "Islamischen Staates" (IS) legitim sei, so der Münchner evangelische Bischof: "Dietrich Bonhoeffer hat uns eingeschärft, solchen schwierigen ethischen Entscheidungssituationen nicht aus dem Weg zu gehen."
Bünker: Dietrich Bonhoeffer war "evangelischer Heiliger"
Der österreichische lutherische Bischof Michael Bünker würdigte Dietrich Bonhoeffer als "evangelischen Heiligen". In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" nennt Bünker Verdienste des Märtyrers etwa für das Gespräch zwischen den christlichen Konfessionen, um den Dialog mit der säkularisierten Welt, aber auch hinsichtlich der Aufgabe der Christen in der Welt und der Stellung der Kirche in den Herausforderungen der Zeit.
"Die Bedeutung Dietrich Bonhoeffers weist aber über die Person hinaus", schreibt Bünker: "Sie liegt ebenso in den theologischen Impulsen, die er trotz des gewaltsamen und vorzeitigen Endes seines Lebens setzen konnte." Nach 70 Jahren seines Todes zu gedenken heiße auch, "das Potenzial an Verheißung und Zukunft zu entdecken, das mit seinem Leben und Wirken gegeben ist".
In seinem "Furche"-Artikel weist der Bischof darauf hin, dass Bonhoeffer in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus kritisch gesehen wurde. In der Ökumene habe Bonhoeffer zwar gleich nach seiner Ermordung als Märtyrer gegolten. "In Deutschland und in Bonhoeffers eigener Kirche war davon noch lange nicht die Rede. Wegen seiner Beteiligung an den Umsturzvorbereitungen, die in der Widerstandsgruppe in der militärischen Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris betrieben wurden, galt er noch lange nach Kriegsende als Landesverräter."
So hätten sich etwa auch evangelische Pfarrer dagegen ausgesprochen, Straßen nach Bonhoeffer zu benennen, und Bischöfe hätten die Teilnahme an Gedenkgottesdiensten verweigert. Bünker selbst nennt in seinem Beitrag die "Einheit von Bonhoeffers politischem Handeln und seinem Glaubenszeugnis" bis heute vorbildlich.
Weitere Informationen zu Dietrich Bonhoeffer:
Evangelisches Studentenheim Linz Dietrich Bonhoeffer
Kathpress (be)